Publication date: 23 Juni 2021 - 07:00
Im Rijksmuseum lässt sich zum ersten Mal seit gut 300 Jahren die Nachtwache in ihrer ursprünglichen Erscheinungsform bewundern. Vor langer Zeit wurden mehrere Teile der Leinwand abgeschnitten. Dem Operation Nachtwache-Team ist es jetzt gelungen, diese fehlenden Teile zu rekonstruieren.
Vorübergehend wurden sie nun um Rembrandts weltberühmtes Gemälde herum montiert. Die Rekonstruktion ist, ausgehend von der Kopie aus dem 17. Jahrhundert (Gerrit Lundens zugeschrieben), mit Hilfe künstlicher Intelligenz entstanden. Die Nachbildung ist Bestandteil der Operation Nachtwache und für die kunsthistorische Untersuchung essenziell. Im Rijksmuseum wird sie in den nächsten drei Monaten für Besucher zu sehen sein. Wem es aufgrund der heutigen Maßnahmen nicht möglich ist, die Rekonstruktion im Museum zu betrachten, kann sich das mit vielen weiteren Informationen versehene Bild auch auf unserer Website anschauen.
Die Nachtwache hat sich so, wie sie im Rijksmuseum zu sehen ist, im kollektiven Gedächtnis eingeprägt. Dank dieser Rekonstruktion erkennen wir, dass die von Rembrandt gemalte Komposition viel dynamischer war. Es ist fantastisch, nun mit eigenen Augen die Nachtwache so erleben zu können, wie Rembrandt sie eigentlich beabsichtigt hat.
Taco Dibbits, Generaldirektor Rijksmuseum
Unterschiede
Die heutige und die Original-Erscheinungsform der Nachtwache zeigen einige wichtige Unterschiede. So sind links noch drei Figuren auf einer Brücke erkennbar, zwei Schützen und ein Kind. Die beiden wichtigsten Schützen, Kapitän Frans Banninck Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburgh, stehen nicht zentral, sondern rechts von der Mitte. Dies steigert die Dynamik und Bewegung im Gemälde erheblich. Zudem ist deutlicher erkennbar, dass sich der Pulverjunge vorne links an einem Geländer festhält. So bekommt er auch mehr Bewegungsraum, wodurch er offensichtlicher vor der Kompanie herzurennen scheint. Von dem Schützen ganz rechts außen wurde der gemalte Helm vollständig sichtbar, und mehr Raum über der Fahne lässt die Bewegung des Fahnenträgers, der die Fahne hochhebt, nun überzeugender wirken.
Kunsthistorische Untersuchung
Die Rekonstruktion ist für die kunsthistorische Untersuchung im Rahmen der Operation Nachtwache bedeutsam. Indem die fehlenden Teile nachgebildet, auf Tafeln gedruckt und vorübergehend um das Originalgemälde herum gehängt wurden, können die Wissenschaftler ermitteln, welchen Eindruck das Werk in seiner ursprünglichen Form gemacht hat. Operation Nachtwache ist die bisher größte und umfassendste Untersuchung von Rembrandts Meisterwerk. Operation Nachtwache befindet sich seit Sommer 2019 in der Untersuchungsphase. Erst wenn diese abgeschlossen ist, wird man mit der tatsächlichen Behandlung beginnen.
Ensemble
Rembrandt vollendete die Nachtwache 1642. Er schuf das Gemälde im Auftrag der Schützengilde für ihren neuen Festsaal im „Kloveniersdoelen“, ihrem Schützenhaus. Dort war es Bestandteil eines Ensembles aus sieben Schützenstücken. Da die ursprüngliche Komposition jetzt wahrnehmbar ist, lässt sich das Gemälde besser mit den sechs anderen Werken vergleichen. Es ist nicht geplant, bei der späteren tatsächlichen Restaurierung, die Nachtwache mit den verlorenen Teilen wieder zu vereinen.
Verkleinert
1715 wurde das Gemälde in das Kleine Krijgskamer (Kleine Kriegsratzimmer) des damaligen Rathauses, dem heutigen Paleis op de Dam (Königspalast) überführt. Weil das Gemälde für seinen neuen Platz zwischen zwei Türen zu groß war, wurde das Werk verkleinert. An allen Seiten wurde ein Teil der Leinwand abgeschnitten, am meisten auf der linken Seite. Die abgeschnittenen Teile der Nachtwache wurden niemals wiedergefunden.
Die fehlenden Teile der Nachtwache sind ein großes Mysterium. Jede Generation hat versucht, das Gemälde nach eigenem Können zu rekonstruieren. Das machen wir jetzt auch wieder mit den fortschrittlichsten Techniken, die heute zur Verfügung stehen.
Pieter Roelofs, Leiter der Abteilung Malerei und Bildhauerei Rijksmuseum
Künstliche Intelligenz
Dank der Kopie (ca. 1642 - 1655), die Gerrit Lundens vermutlich im Auftrag von Kapitän Frans Banninck Cocq gemalt hat, wissen wir, wie das Gemälde ursprünglich ausgesehen hat. Diese Kopie bildete den Ausgangspunkt der Rekonstruktion, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz geschaffen wurde. Das Team hat zuallererst sogenannten künstlichen neuronalen Netzen die Maltechnik und Farbanwendung von Rembrandt gelehrt. Anschließend hat der Computer die fehlenden Teile im Stil Rembrandts rekonstruiert.
Wissenschaft und moderne Techniken spielen in der Untersuchung der Nachtwache eine zentrale Rolle, wie es dieses Projekt auch verdeutlicht. Dank der Anwendung von künstlicher Intelligenz nähern wir uns ungemein dem Eindruck, den das Original einst ausgestrahlt haben muss.
Robert Erdmann, Senior-Wissenschaftler Rijksmuseum
Video
Die Rekonstruktion ist auch auf der neuen Website vom Rijksmuseum zu sehen. Besucher können mithilfe verschiedener Abbildungen auf die Entdeckungen einzoomen, die wir in dieser Untersuchung gemacht haben. Zudem wird dort heute ein Video darüber erscheinen, wie diese Rekonstruktion zustande gekommen ist. Zusammen mit weiteren Informationen über die verschiedenen Untersuchungstechniken, die bei der Operation Nachtwache eingesetzt wurden.
Maße
- Umbau: 393,1 x 507,4 (HxB)
- Restliche ‘Original’ Nachtwache: 379,5cm × 436cm (HxB)
- linker Streifen: 64,4 cm
- rechter Streifen: 7 cm
- obere Leiste: 23,3 cm
- unterer Streifen: 11,3 cm
AkzoNobel ist Hauptpartner von Operation Nachtwache.
Ermöglicht wird Operation Nachtwache dank der Unterstützung von Bennink Foundation, C.L. de Carvalho-Heineken, PACCAR Foundation, Piet van der Slikke & Sandra Swelheim, American Express Foundation, Familie De Rooij, Het AutoBinck Fonds, TBRM Engineering Solutions, Dina & Kjell Johnsen, Familie D. Ermia, Familie M. van Poecke, Bruker Nano Analytics, Henry M. Holterman Fonds, Irma Theodora Fonds, Luca Fonds, Piek-den Hartog Fonds, Stichting Zabawas, Cevat Fonds, Johanna Kast-Michel Fonds, Marjorie & Jeffrey A. Rosen, Stichting Thurkowfonds, Familie Van Ogtrop Fonds and the Night Watch Fund.
Unentbehrliche Unterstützung
Das Rijksmuseum wurde von der COVID-19-Pandemie schwer getroffen. Mehr als jemals zuvor ist deutlich, dass das Rijksmuseum es nicht ohne seine Förderer schafft. Beihilfen vom Staat, Spenden von Wirtschaft und Fonds, Schenkungen, Nachlässe und Freunde sind und bleiben für das Rijksmuseum essenziell.